Historie der Wetter- und Klimastation Görlitz (seit 1836)

  1. Klimastation der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Kultur

 Die Schlesische Gesellschaft für Vaterländische Kultur wurde 1803 gegründet und beschäftigte sich unter anderem mit Landeskunde, zu welcher damals auch Witterungs- bzw. Klimakunde zählten.  Ab 1781 wurde jedoch zunächst nur in Sagan, rund 40 km östlich von Bad Muskau gelegen, eine Klimastation der berühmten Mannheimer Meteorologischen Gesellschaft (lat.: Sociatas Meteorologica Palatina = SMP) unterhalten, die 12 Jahre lang in Betrieb war. Der Kanonikus Preuß beobachtete dort dreimal täglich – um 7, 14 und 21 Uhr Ortszeit – das Wetter mit den aus Mannheim gelieferten Instrumenten. Kurz bevor die Mannheimer Gesellschaft 1793 aufgrund der Nachwehen der Französischen Revolution aufgelöst werden musste, hatte die Breslauer Universität, an welcher, wie auch an vielen anderen Forschungsmetropolen Europas, zahlreiche Wissenschaftler seit dem 17. Jahrhundert neben astronomischen auch meteorologische Messgeräte prüften, erfanden, verbesserten und mit ihnen experimentierten, an dessen Universitätssternwarte am 3. Februar 1791 eine Reihe fortlaufender Wetterbeobachtungen und Klimamessungen begonnen, sodass man den Wegfall der Saganer Station kompensiert zu haben glaubte. Allerdings dauerte es im größten Teil Deutschlands nach der Auflösung der Societas Meteorologica noch bis in die Zeit nach dem Wiener Kongress von 1815, bis das Interesse an Wetter und Klima in den verschiedenen Landesteilen wieder deutlich erstarkte, wobei der ungewöhnlich unfreundliche und kühle Sommer des Folgejahres 1816 mit seinen verheerenden Missernten einen großen Beitrag hierzu leistete.

Obwohl Sagan als Beobachtungsstation am Westrand Schlesiens nach 1793 nicht erhalten werden konnte, wusste man schon damals, dass innerhalb einer – zumal topografisch sowieso sehr stark gegliederten – Region zeitweilig größere klimatische Unterschiede vorkommen können und die Breslauer Universitätsstation allein nicht ausreichen würde, um diese im Lande umfassend zu erforschen. Seitens der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Kultur (SGVK) wurden deswegen nach 1816 vielerorts Anstrengungen unternommen, um das Klima systematisch und an mehreren Stellen langfristig zu ermitteln. In den 1820er und 1830er Jahren wurden in mehreren Orten Klimastationen errichtet und regelmäßige Messreihen begonnen. In dem zur damaligen preußischen Provinz Niederschlesien gehörenden Görlitz war es im Sommer 1836 der Lehrer Joseph Theodor HERTEL (* 08.07.1808 in Posen), der mit Unterstützung der SGVK, deren Mitglied er war, in seiner Wohnung sowie an seiner Schule, dem Gymnasium der Stadt Görlitz, eine Klimastation aufbaute. Diese erste Station war vom 01.10.1836 bis 31.01.1861 in Betrieb und befand sich an der südwestlichen Ecke des Demianiplatzes. Als Beobachtungstermine wurden von der SGVK in Anlehnung an die alte Mannheimer Gesellschaft auch von der 7, 14 und 21 Uhr mittlerer Ortszeit (MOZ) gewählt. Am 01.04.1845 wurde das Barometer ein Stockwerk höher aufgehängt.

  1. Klimastation zweiter Ordnung des Preußischen Meteorologischen Instituts bzw. des Reichswetterdienstes

Mit der Gründung des Preußischen Meteorologischen Instituts (PMI) im Jahr 1847 wurde Görlitz ab 1848 in dessen Klimastationsnetz aufgenommen, wobei dieses Institut von nun an für die Ausstattung mit Geräten, die Instruktion der Beobachter sowie regelmäßige Prüfung von Instrumentarium und Beobachtungsergebnissen einschließlich deren Veröffentlichung verantwortlich zeichnete. Die Messungen selbst erfolgten jedoch zunächst weiterhin mit HERTELs Instrumenten; vom Berliner Institut kam anfangs lediglich ein Psychrometer und ein Regenmesser zum Einsatz. Allerdings verlangte das PMI, dass die Beobachtungstermine dem preußischen System anzupassen seien. Deswegen wurde ab Anfang 1848 auf die preußischen Beobachtungsterminen 6, 14 und 22 Uhr Ortszeit (MOZ) umgestellt.

Nach über 24 Beobachtungsjahren, am 22.02.1861, starb Lehrer HERTEL. Die HERTELsche Station wurde vertretungshalber durch seinen Lehrerkollegen Dr. HARTMANN-SCHMIDT übernommen, der dieses Amt für knapp 6 Wochen wahrnahm (den restlichen Februar sowie den März 1861).

Am 01.04.1861 gab es einen erneuten Beobachterwechsel. Der bekannte Apotheker Dr. Reinhard PECK, der zugleich auch Bibliothekar der Naturforschenden Gesellschaft Görlitz war, hatte dem PMI vorgeschlagen, die Klimastation zu übernehmen, sodass sie zu dessen Wohnung verlegt werden konnte, welche sich in unmittelbarer Nähe der HERTELschen befand. PECKs Messungen und Beobachtungen umfassen 26 Jahre, sodass insgesamt über ein halbes Jahrhundert an Beobachtungsdaten von nahezu gleicher Stelle zusammenkamen.

Dr. Felix Georg Reinhard Peck (* 03.02.1823 in Görlitz; † 28.03.1895 ebenda), Beobachter der Klimastation Görlitz von April 1861 bis Juni 1887

Zum 1. Januar 1887 wurden, wie überall in ganz Preußen, die Beobachtungstermine aus praktischen Gründen auf 7, 14 und 21 Uhr mittlerer Ortszeit (MOZ) festgelegt – exakt die gleichen Stunden, die die SGVK und HERTEL bereits in den ersten zehn Beobachtungsjahren gewählt hatten. PECK schienen diese neuen Messtermine nicht sehr gefallen zu haben, daher ersuchte er das PMI um baldmöglichste Abgabe seiner Beobachterpflichten.

Zwischen Juli und November 1887 übernahm der meteorologisch interessierte Chemiker G. STREIT die Beobachtungen in Görlitz. Während dieser 5 Monate war die Station zu dessen Wohnung verlegt, allerdings sind die Einzelheiten zur Stationslage und Aufstellung der Instrumente nicht genau dokumentiert worden. Mit Sicherheit kann nur gesagt werden, dass sich STREITs Wohnung in der Görlitzer Innenstadt und somit unmittelbarer räumlicher Nähe zu den Vorgängerstationen von PECK und HERTEL befand.

In den darauffolgenden 13 Jahren, vom 01.12.1887 bis zum 30.09.1900, übernahm der mit PECK befreundete Rentier L. HÜTTIG die Beobachtungen. Dabei befand sich die Görlitzer Klimastation in der Zeit vom 01.12.1887 bis zum 02.10.1890 bei seinem Wohnhaus, Hospitalstraße 20/21, ungefähr in der Mitte eines der damals noch neueren südwestlichen Stadtteile. Dort war ein Gefäßbarometer strahlungsfrei in einem Einschubkasten in einem nach Nordosten schauenden Zimmer untergebracht. Das Thermometergehäuse mit einer besonders angefertigten Beschirmungsvorrichtung konnte mit Genehmigung des Görlitzer Magistrats an der Nordwand einer ca. 15 Minuten von HÜTTIGs Wohnung in Richtung Nordosten entfernten Scheune auf dem städtischen Schlachthof aufgestellt werden. Die Ablesung erfolgte dort von der Scheune aus, jedoch wurde der obere Teil des Thermometergehäuses im Sommer mittags von der Sonne beschienen. Ein von dem Magdeburger Meteorologen Richard ASSMANN – eigentlich bekannt durch das nach ihm benannte Psychrometer, einem genauen Feuchtemessverfahren  – konstruierter Regenmesser wurde ebenfalls ziemlich frei im Görlitzer Schlachthof aufgestellt. Zur Beobachtung der Windrichtung gab es lediglich verschiedene private Windfahnen in der Umgebung; die Windstärke wurde noch ausschließlich geschätzt.

Am 07.09.1889 wurde auch das Barometer in die Scheune auf dem städtischen Schlachthof verlegt, und ein Jahr später, am 03.10.1890, wurde die gesamte Station samt Barometer zur neuen Wohnung des Beobachters in die Hospitalstraße 22 (Ecke Krölstraße) verlegt. Dort stellte sich heraus, dass die Luftdruckmessungen im Zeitraum 1890/91 um 0,25 mmHg  (ca. 0,33 hPa) zu niedrig waren.

Im folgenden Jahr, am 01.05.1891, wurde ein anderer Regenmesser, nämlich ein solcher nach Prof. HELLMANN (Modell 1886) im Garten des Hospitals gegenüber der Wohnung des Beobachters aufgestellt. Am Tag darauf, dem 02.05.1891, wurde das Thermometergehäuse vor ein nach Nordwest schauendes Korridorfenster im 1. Stockwerk des Hospitals verlegt, welches direkt gegenüber der Wohnung des Beobachters lag. Ein im Westen befindlicher naher Gebäudeflügel verhinderte dabei die direkte Besonnung. Die Messergebnisse zeigten allerdings, dass durch diese Aufstellung der Temperaturgang zu stark abgestumpft wurde, die Differenzen zwischen dem täglichen Tmin und Tmax also etwas zu klein ausfielen – ein durchaus typischer Effekt der damals noch in fast ganz Deutschland weit verbreiteten Fensterhütte, die in der Nordhälfte häufig schon um die Jahrhundertwende durch die sogenannte englische Wetterhütte („Stevenson Screen“) abgelöst wurde, in Sachsen und im süddeutschen Raum jedoch erst in den 1930er Jahren.

Im nahen Stationsumfeld wurde um 1900 als Ersatz für HÜTTIG ein neuer,  jüngerer Beobachter gesucht und schließlich in dem Hospitalverwalter A. SCHLENSOG gefunden, welcher den Beobachtungen am Görlitzer Hospital als Stationsleiter vom 1. Oktober 1900 an für mehr als 16 Jahre vorstand. Obwohl in einem der damals neuen Stadtquartiere befindlich, wurde die Stationslage in zeitgenössischen Veröffentlichungen als „inmitten der Stadt“ bezeichnet. Tatsächlich ist dieser Beobachtungsort damals wie heute lediglich 500 m vom Hauptbahnhof entfernt.

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Zentralhospital Görlitz – Standort der Görlitzer Klimastation zwischen 1891 und 1943

Das Stationsbarometer wurde im Erdgeschoss des Hospitals aufgehängt; Thermometergehäuse und Regenmesser blieben unverändert. Das PMI sorgte regelmäßig für Inspektionen und gelegentlich auch Erneuerung des Instrumentariums: So wurde ab April 1902 wurde zur Windbestimmung die WILDsche Windfahne mit Stärketafel auf dem Westflügel des Hospitals verwendet. Von Oktober 1908 an wurde zur genaueren Feuchtemessung ein Aspirator der Berliner Firma FUESS in Gebrauch genommen. Im September 1916 wurde schließlich das Stationsbarometer auf den Flur der Wohnung des Beobachters verlegt. Die Luftdruckangaben waren jedoch in den letzten 8 Monaten recht unsicher und erscheinen im Durchschnitt um 0,5 mmHg = ca. 0,67 hPa zu hoch.

Am 30.04.1917 starb Hospitalverwalter SCHLENSOG. Für die nun folgenden 8 Monate, von Mai bis Dezember 1917, übernahm dessen Tochter, Frau Elsa WENDEL, die Beobachtungen; im Übrigen blieb die Station jedoch unverändert. Die Messdatenanalyse zeigt, dass die Temperatur in diesem Zeitraum zum Abendtermin im Sommer etwas zu hoch ausgefallen ist; außerdem wurden auffällig viele Windstillen notiert.

Am 01.01.1918 übernahm der Kastellan der Volksbücherei, Herr SCHNEIDER, für eine Übergangszeit von anderthalb Jahren die Beobachtungen; im Übrigen blieb die Station unverändert. Die Luftdruckangaben von Januar bis Juni 1918 erwiesen sich leider als unbrauchbar, ebenso die Messungen der relativen Feuchte im September 1918. Ersatzhalber kann diesbezüglich auf Stationen des damaligen Königreiches Sachsen (z. B. Bautzen) ausgewichen werden, wobei aber stets beachtet werden muss, dass sich das in Görlitz verwendete preußische Beobachtungssystem in Sachen Messgeräte, Beobachtungstermine und -vorschriften von demjenigen der sächsischen Landeswetterwarte vor 1901 deutlich unterschied – und es dauerte sogar noch bis 1916, bis ganz Sachsen seine bereits seit 1883 geltenden Messtermine (8, 14 und 20 Uhr) endlich den deutschlandweit üblichen Terminen 7, 14 und 21 Uhr angeglichen hatte; bei der Instrumentierung kam es sogar erst nach 1934 zu einer Vereinheitlichung. Görlitz war somit dem sächsischen System, genau wie schon ganz zu Anfang (1836-1847) dem preußischen, einen Schritt voraus – eine durchaus würdige Vorreiterrolle, welche die Bedeutung der Stadt unterstreicht. Zur Erklärung: Görlitz liegt auf dem 15. Längengrad, welcher neben dem Observatorium London-Greenwich einen der Hauptmeridiane in unserem 1893 eingeführten Zeitzonensystem bildet. Die Uhrzeit der allermeisten Staaten der Europäischen Union, die MEZ bzw. CET (engl.: Central European Time), richtet sich seitdem nach dem mittleren Sonnenstand von Görlitz (während der MESZ, der sogenannten „Sommerzeit“, jedoch nach dem Sonnenstand von Kiew, das noch 15 Längengrade weiter östlich liegt) .

Nach Ende des Ersten Weltkriegs, vom 01.08.1919 bis zum 08.06.1942, war der Optiker Alfred LÜNING der zuständige Görlitzer Beobachter; sein Stellvertreter wurde Hausmeister HÜBNER. Die Datenanalyse dieser Beobachtungsperiode zeigt, dass die Temperatur zum 21-Uhr-Termin im Sommer etwas zu hoch lag, was auf den immer deutlicher erkennbaren Stadteffekt (engl.: Urban Heat Island = UHT, urbane Wärmeinsel) zurückzuführen sein dürfte. Die Messungen der relativen Feuchte, besonders zum Mittagstermin, erschienen hingegen zu hoch. Nach fast 23 Beobachtungsjahren starb Optiker LÜNING.

Während dieser Zeit wurde eine englische Thermometerhütte in dem parkartigen Garten des Hospitals in Betrieb genommen, das ab 1939 in ein Altersheim umfunktioniert wurde. Zu Beginn der Hospital-Reihe wurden Parallelmessungen zwischen Fensterhütte und Thermometerhütte durchgeführt, und zwar 12 Monate lang: vom 01.10.1930 bis 30.09.1931. Es zeigten sich jedoch keine nennenswerten systematischen Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Hüttentyp.

Am 10.02.1939 wurde durch den Reichswetterdienst (RWD bzw. RfW = Reichsamt für Wetterdienst, eine untergeordnete Behörde des Luftfahrtministeriums), der im Jahr 1934 Nachfolger des PMI geworden war, an der Görlitzer Klimastation ein neues Stationsbarometer in Betrieb genommen, das in einem verschließbarem Kasten an der Vorderwand des unteren Korridors des Altersheims westlich vom Haupteingang durch eine Tür abgetrennt war. Die Hütte befand sich in der Nordostecke des weiten Gartens auf einer Rasenfläche von 8 x 12 m und der Regenmesser 20 m westlich der Hütte sowie 3 m südlich eines 2,5 m hohen Schuppens. Die Windfahne, welche bereits im September 1938 überholt wurde, befand sich auf dem Westflügel des Altersheims.

Aufgrund des fortschreitenden Krieges mussten die Beobachtungen an der zivilen Görlitzer Klimastation zum 01.03.1943 eingestellt werden. Ähnlich wie in Cottbus wurde die lange Messreihe mit derjenigen des Fliegerhorstes fortgesetzt, wobei sich allerdings zeigte, dass die Temperaturen aufgrund der wesentlich freieren und etwas höheren Lage um ca. 0,8 Grad niedriger lagen als in der Stadt.

  1. Klima- und synoptische Station auf dem Görlitzer Fliegerhorst, Zeit des Zweiten Weltkriegs

Am 01.08.1939 wurde eine Klimastation auf dem Gelände des Fliegerhorstes Görlitz, circa 1,2 km westlich des Stadtrands, in Betrieb genommen (eine erste Flugwetterstation mit rein synoptischem Meldebetrieb hatte hier schon von 1936 bis 1939 bestanden). Die Fliegerhorststation besaß ein Messfeld mit englischer Thermometerhütte und einem HELLMANN-Regenmesser. Das Erdbodenminimum-Thermometer befand sich auf einer Rasenfläche zwischen diversen Baracken, rund 80 m von den 15 m hohen Flugzeughallen entfernt.

Die Messungen an dieser Station wurden mit hauptamtlichem Personal bis zum Kriegsende durchgeführt; die erhaltenen Klimaunterlagen enden jedoch mit dem 28.02.1945. Vermutlich waren an der Station außerdem ein Stationsbarometer, ein Baro-Thermo-Hygrograph sowie ein elektrisches Windmessgerät in Betrieb, während in den Jahrzehnten zuvor die Windstärke ausschließlich geschätzt wurde.

Die Messlücke zwischen März 1945 und Juni 1946 wurde vom Meteorologischen Dienst der DDR durch Interpolation nach dem Observatorium Radebeul-Wahnsdorf geschlossen, sodass für Görlitz eine ab Herbst 1836 durchlaufende Zeitreihe mit Monatsdaten für Temperatur und Niederschlag vorliegt. Auch die ab 6. Juni 1945 vorgenommenen Messungen im rund 35 km entfernten Bautzen geben wertvolle Hinweise auf die wahrscheinlichsten Witterungsverhältnisse während dieser 16-monatigen Datenlücke.

  1. Wiedererrichtung einer hauptamtlichen Wetterstation, SBZ- und DDR-Zeit

Im Jahr 1946 wurde die Wetterwarte auf dem Gelände des ehemaligen Fliegerhorstes wieder aufgebaut und in Betrieb genommen. Der Klimadienst wurde hier ab Juli wieder regelmäßig durchgeführt. Wie überall an hauptamtlichen Stationen in der SBZ wurde auch in Görlitz neben den traditionellen Mannheimer Terminen 7, 14 und 21 Uhr zusätzlich zu den internationalen Terminen 00, 06, 12 und 18 GMT (engl.: Greenwich Mean Time = entspricht MEZ – 1 h) beobachtet und daraus das arithmetische Mittel gebildet. Daher gibt es von 1946 bis 1966 für Görlitz zwei parallellaufende Klimareihen nach jeweils unterschiedlichen Standards (im DWD als KF- und KG-Kollektiv bezeichnet).

Stationsbarometer und Barograph befanden sich zunächst im Dienstraum der Wetterwarte in einem Barackenbau, während das Messfeld mit englischer Thermometerhütte und Aspirator, Thermograph und Hygrograph sowie HELLMANN-Regenmesser ausgestattet war. Der Sonnenscheinmesser befand sich vermutlich auf einem Sockel, ca. 12 m östlich der Beobachterbaracke. Auch ein Erdbodenminimum-Thermometer befand sich an der Görlitzer Station. Die Windfahne wurde auf einem Holzmast aufgestellt, 8 m südwestlich des Dienstgebäudes.

Am 01.09.1947 wurde der Sonnenscheinmesser auf das Dach der Stationsbaracke verlegt. Ab 1948 wurde die Höhe der Thermometer neu vermessen. 

Ab 01.06.1948 wurde ein neuer Regenschreiber bei der Station in Betrieb genommen. Zwar besaß die Station auch Erdbodenthermometer für 10 und 20 cm Tiefe, jedoch ist heute nicht mehr bekannt, wann genau mit diesen Messungen begonnen wurde.

Ab 01.07.1949 ging ein Erdbodenthermometer für 50 und 100 cm Tiefe in Betrieb.

Ab 16.10.1950 wurde die Höhe der Thermometer und ab 19.10.1950 Höhe des Windmessers verändert. Am 07.06.1951 wurde eine neue Hütte aufgestellt. Die Datenanalyse zeigt zudem, dass die Windstärken in diesem Zeitraum etwas zu hoch geschätzt wurden.

Vom 22.10.1953 bis zum 21.11.1953 wurde die relative Feuchte mit Hüttenpsychrometer mit natürlicher Belüftung ermittelt.

Ab 24.08.1955 wurde der Sonnenscheinmesser umgesetzt.

Am 01.12.1962 wurde die Görlitzer Station um rund 350 m nach Nordosten verlegt, nahe der heutigen Kreuzung der B 6 mit der Girbigsdorfer Straße.

Zum 01.01.1967 wurde wie an allen hauptamtlichen Stationen der DDR die 3-terminige Klimareihe beendet und der Messtakt von den bisherigen 4 auf 8 Termine pro Tag erhöht.

Zum 01.06.1979 wurde der Windmesser von 13 m auf 16 m heraufgesetzt.

  1. Wetterstation Görlitz ab 1990, DWD

Standort der alten Görlitzer Wetterstation (Dezember 1962 bis Mai 1994) mit Beobachterhaus – Private Videoaufnahmen vom Oktober 1992

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurde die Görlitzer Station, die zuvor dem Meteorologischen Dienst der DDR angehört hatte, dem nun zuständigen DWD übergeben. Als Erstes wurde am 30.10.1990 eine selbstregistrierende Messanlage für die Temperatur mit Pt100-Sensoren in der Wetterhütte installiert (AFMS-2).

Zum 01.01.1991 wurden die 1967 abgeschafften Mannheimer Klimatermine wieder eingeführt und bundesweit auf 7:30, 14:30 und 21:30 MEZ festgelegt, was für Görlitz gegenüber den von 1836-1847 sowie 1887-1966 genutzten Beobachtungsterminen nach MOZ eine Verschiebung um 30 Minuten bedeutet (= im DWD als KL-Kollektiv bezeichnet).

Im Oktober 1991 wurde an der Görlitzer Wetterstation die Radioaktivitätsüberwachung eingerichtet.

Im Zuge der Ertüchtigung der Bundesstraße B 6 mitsamt der neuen Straßenkreuzung an der Girbigsdorfer Straße musste die gesamte Wetterstation am 26.05.1994 erneut um 400 m, diesmal in Richtung WSW, verlegt werden. Auch das alte Beobachtungshaus konnte nicht mehr genutzt werden; die Beobachter zogen in einen Containerkomplex um. Ebenfalls zum 26.05.1994 fand die Umstellung der restlichen noch mit analogen Mess- und Registriergeräten durchgeführten Datenaufzeichnungen auf teilelektronische Datenerfassung statt (MIRIAM-System bzw. Automat 1. Generation, inkl. Umstellung vom analogen Campbell-Stokes-Sonnenscheinschreiber auf den opto-elektronischem Sonnenscheinmesser SONIe). Diese Technik war bis Ende März 2007 am neuen Standort in Betrieb und wurde dann durch die neuen Automaten der 2. Generation (Typ AMDA, inkl. elektronischem Ott-Pluviometer sowie Ultraschall-Schneehöhenmesser SR50-G1) ersetzt. Aus diesem Grund fand am 28.03.2007 eine erneute geringfügige Geräteversetzung um wenige Meter statt, wobei die exakten Standorte für die neuartigen Messgeräte am 01.08.2008 nochmals geringfügig nachjustiert wurden.

Bereits zum 1. Juli 2005 war die Station in „Wetterwarte Görlitz“ umbenannt worden, um dadurch auf die personelle Betreuung hinzuweisen. Die Parameter Schneehöhe, Sicht, Bewölkung und Wetterzustand wurden lediglich zu Vergleichszwecken automatisch gemessen; die aufgebaute Automatentechnik kam zunächst noch nicht zum Routineeinsatz.
Zuvor hatte schon seit 1. April 2001 an allen hauptamtlichen Stationen Deutschlands die Tagesmittelbildung aus den 24 stündlichen Messungen und Beobachtungen das 3-terminige Mittel abgelöst. Ebenfalls seit April 2001 wurden die automatischen opto-elektronischen Sonnenscheinmessungen zum Standardverfahren auch für die Klimareihe erhoben und für die routinemäßig stündlich bzw. halbstündlich erstellten Wettermeldungen verwendet. Das manuelle Sonnenscheinmessgerät vom Typ Campbell-Stokes wurde allerdings noch einige Jahre lang (bis 2018) betreut und parallel auch manuell ausgewertet.

6. Klimareferenzstation Görlitz

Heutiges Messfeld der Wetterwarte Görlitz mit konventioneller weißer Wetterhütte („Stevenson Screen“, Bildmitte) sowie modernen elektronischen Geräten (u. a. Wolkenhöhenmesser, Mitte/rechts mit roten Streifen)

Zum 1. Mai 2008 wurde Görlitz zur ersten Klimareferenzstation Deutschlands erhoben und am 21.05.2008 vom damaligen DWD-Präsidenten eingeweiht (siehe https://www.funkzentrum.de/2008/mai/4863-wetterwarte-gtz-als-erste-dwd-klimareferenzstation-eingeweiht.html). Das bedeutete, dass hier neben der teilelektronischen Datenerfassung zu den drei Terminen 7:30, 14:30 und 21:30 MEZ (während der Sommerzeit jeweils eine Stunde später) konventionelle Flüssigkeitsthermometer sowie weitere mechanisch bzw. analog arbeitende Instrumente vom Stationspersonal abgelesen wurden, um differenzierte Vergleiche zwischen alten und neuen Messreihen anstellen zu können. Die Analyse dieser Werte mit den zeitlich hochaufgelösten elektronischen Datensätzen ergab beispielsweise beim Parameter Temperatur keine nennenswerten systematischen Unterschiede (vgl. DWD-Bericht Nr. 238), obgleich hauptsächlich die diversen neuentwickelten elektronischen Sensoren für andere Beobachtungsparameter nicht die Qualität und Detailliertheit professioneller Augenbeobachtungen erreichen (z.B. beim Bewölkungsgrad).

Am 3. September 2008 wurde der bislang mit einem Schalenkreuz ausgestattete Windmesser durch ein Ultrasonic Anemometer 2D der Firma Thies ersetzt. Dieses hat den Vorteil, dass es im Winterhalbjahr aufgrund der beheizten Sensorarme nicht so schnell vereist; zudem besteht auch bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten im Orkanbereich (oberhalb von 118 km/h) nicht die hohe Gefahr einer Beschädigung bzw. Zerstörung, wie es bei den beweglichen Teilen des Schalenkreuzanemometers der Fall ist.

Im Winter 2012/13 wurden die Ultraschall-Schneehöhenmesser durch eine Lasermessung ersetzt, jedoch ist es selbst bei Einsatz eines mehrstrahligen Lasers nicht möglich, eine mit Handmessungen vergleichbare Datenqualität zu erzielen. Insbesondere bei Dauerfrost und sehr lockerem Pulverschnee entstehen sehr ungleichmäßige Verwehungen der Schneedecke (bei Plusgraden und Nassschnee hingegen oftmals bis zu 30 % zu niedrige Schneehöhenangaben am Lasergerät), sodass bei entsprechenden Winterwetterlagen Nachmessungen per Hand und Mittelbildung über viele gut ausgesuchte repräsentative Stellen auch in unserer hochtechnisierten Zeit notwendig bleiben. Aufgrund der Randlage von Görlitz an der äußersten Ostgrenze Deutschlands gibt es im näheren Umland kaum nebenamtliche Niederschlagsstationen, die als Ersatz dienen könnten.

Zum 1. Juni 2018 wurde das seit 10 Jahren in Görlitz in Betrieb befindliche Ott-Pluviometer durch den Niederschlagsmesser rain[e]H3 der Firma Lambrecht ersetzt.

7. Automatische Wetterstation Görlitz

Der Status als Referenzstation wurde vom DWD per 31. Dezember 2018 beendet. Zum 1. Januar 2019 wurde Görlitz von einer personell besetzten Wetterwarte unter Aktivierung aller automatischen Sensoren in eine unbemannte vollautomatische Wetterstation umgewandelt; lediglich die Radioaktivitätsmessung wird seitdem noch von Personal betreut. Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass das Problem glaubwürdiger Bewölkungsmengen- und Schneehöhenmessungen sowie die Bestimmung des Wetterzustands bis heute nicht zufriedenstellend durch Technik gelöst ist. Auch klimatologisch interessante und relevante Erscheinungen wie z. B. Bodennebel, Gewitter, Glatteis-, Tau- oder Reifbildung wurde seit 1946 an der Görlitzer Wetterwarte lückenlos durch das Stationspersonal dokumentiert – eine vollautomatisierte Station ist derzeit  nicht in der Lage, die genannten Wetterphänomene überhaupt zu erfassen und zu melden.
Eine nachträgliche Aufbereitung der Klimareihe mit manueller Integration separat erhobener Daten (z. B. aus Blitzortungssystemen und Webcams) ist gegenüber der direkten Vor-Ort-Beobachtung nur mit gewissen Einschränkungen möglich sowie zudem sehr zeitraubend.

Auswertung der Mess- und Beobachtungsgeschichte:

Die Historie der Standorte der Klimastation Görlitz zeigt vom Messbeginn 1836/37 bis zum Jahr 1943 ausschließlich Stationshöhen zwischen 207 m und 217 m über NN. Der Görlitzer Flugplatz liegt am nordwestlichen Stadtrand mit Höhenlagen zwischen 231 m und 238 m demgegenüber etwas erhöht, sodass es dort im Jahresmittel um rund 0,7 Grad kälter ist als im Stadtgebiet (Parallelmessungen 1936-1943). Es gibt derzeit allerdings bislang keine näheren Untersuchungen zum Görlitzer Stadtklima unter Berücksichtigung von neuzeitlichen Messungen innerhalb der Historischen Altstadt.

Der DWD hat bislang zwar die täglichen 3 Terminwerte von 1880-1946 nachdigitalisiert (KL-Datei im Standardformat, WMO-Stationsnummer 10499), die Messreihe der Tagesdaten begann jedoch lange Zeit erst mit dem Jahr 1947. Erst durch das DWD-Projekt KLIDADIGI (Klimadatendigitalisierung, d.h. Daten-Nacherfassung) erfolgte ab 2015 auch die Bereitstellung der Jahrgänge 1935-1946, und mit dem 2020er Update wurde die Klimareihe bis 1880 zurück verlängert.

Die mittlerweile 183-jährige Görlitzer Klimareihe ist auf Monats- und Jahresbasis lückenlos vorhanden, enthält jedoch mehrere Verlegungen und bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs hinein auch Stadtwachstumseffekte. Ohne Betrachtung zusammen mit anderen Säkularstationen aus nicht urbanen Räumen (z. B. ländlichen oder Bergstationen) sowie sorgfältiger Homogenisierung ist eine klimatologische Einordnung der älteren Messungen vor 1946 nicht sinnvoll möglich. Die mehrfachen Änderungen der Beobachtungszeiten, die Umstellung der alten Fensterhütten auf die Freilandthermometerhütte („Stevenson Screen“) und schließlich auf elektrische Messfühler sowie – last but not least – die jüngeren Umstellungen und Upgrades der elektrischen und elektronischen Messtechnik hatte entgegen manchen Erwartungen und auch im Gegensatz zu zahlreichen anderen deutschen Stationen zumindest in Görlitz nur geringfügige Inhomogenitäten zur Folge.

Die nachfolgenden 3 Homogenitätsdiagramme zeigen die untersuchten Klimaparameter Temperatur, Niederschlagsmenge und Sonnenscheindauer im gesamten verfügbaren Zeitraum (1881-2020 bzw. 1951-2020) . Die wichtigsten historischen Änderungen (Verlegungen u.Ä.) sind durch senkrechte Linien gekennzeichnet.
Achtung: Hier sieht man nicht den Verlauf der Messreihen selbst, sondern nur die monatliche Abweichung jedes Einzelwertes vom Landesflächenmittel im gleichen Monat.  Eine homogene (Sub-)Zeitreihe ist an einer waagerechten roten Linie bei gleichmäßiger Verteilung der blauen Punkte ober- und unterhalb der Linie erkennbar.  Gelbe Linie kennzeichnen bestimmte, statistisch errechnete Streubereiche der Daten („normale Abweichungskorridore“); Ansammlungen von blauen Punkten innerhalb der Subintervalle deuten auf schleichende Inhomogenitäten im Messumfeld (z.B. Wachstum von Hecken, Bäumen oder städtischer Bebauungsdichte).

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Quellen der Abbildungen: MTwetter.de; Wikipedia; Google Inc.
Literaturquellen: https://www.dmg-ev.de/fachausschuesse/fagem/PDF/Hellmann.pdf (G.HELLMANN: Repertorium der deutschen Meteorologie); https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10000838_00001.html (J.G.GALLE: Grundzüge der schlesischen Klimatologie);
https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2008/20080521_160j_wetterbeobachtung_goerlitz.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Kurzhistorie des DWD);
Ausführliche DWD-Stationshistorien im Format XLS/PDF/PPT (bundeslandweise gezippte NKDZ-Klimadatenkollektion DWD-WebWerdis), erstellt nach Originalunterlagen und Meteorologischen Jahrbüchern; Görlitzer Ratsarchiv/Stadtarchiv

5 Kommentare zu „Historie der Wetter- und Klimastation Görlitz (seit 1836)

    1. Zu Cottbus habe ich noch eine ähnliche Historie erstellt. Wollen wir diese in deinen schon bestehenden Beitrag zur Cottbusser Stationsgeschichte integrieren oder soll ich einen neuen Beitrag verfassen?

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